Das Thema ist regelmäßiger Bestandteil des Portals. Hier platzieren wir Themen, welche die „SGB-II-Gemeinde" bewegen oder noch bewegen könnten – also Themen mit Potenzial.

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Dringend gesucht: Perspektiven für den Leistungsbereich

Ein gut funktionierender Leistungsbereich zeichnet sich vor allem durch seine Geräuschlosigkeit aus: Alle Prozesse – Beratung von Antragstellern, Entgegennahme und Bearbeitung von Anträgen auf Geldleistungen, die Betreuung von "Bestandskunden" bei Änderungen usw. – greifen nahtlos ineinander wie ein gut geöltes Räderwerk. Die Kehrseite: Der Beitrag des Bereichs "passive Leistungen" zum Gesamterfolg des Jobcenters bleibt in der Regel unsichtbar – manchmal zum Leidwesen der dort tätigen Mitarbeiter. Ihre Leistung tritt sozusagen erst in das öffentliche Bewusstsein, wenn sie nicht mehr da ist. In kritischem Ausmaß ist das bislang nur sehr selten passiert. Das heißt aber nicht, dass bei der Leistungssachbearbeitung alles "in Butter" ist – im Gegenteil:

Das Leistungsrecht SGB II war als schlankes Regelwerk angekündigt, das es den Jobcentern ermöglichen sollte, ihre Kräfte voll für die Beratung und Integration von arbeitslosen Menschen einzusetzen. Das traf von Anfang an nicht zu, und die Entwicklung seit 2005 lief auch komplett in die Gegenrichtung: Allein 62 Gesetzesänderungen seit der Einführung des SGB II zählt die LAG NRW. Hinzu kommen 264 Änderungen der fachlichen Hinweise der BA sowie 278 Änderungen der Anwenderhinweise für das Fachverfahren A2LL. Damit nicht genug, müssen die Jobcenter auch die umfängliche Rechtsprechung der Sozialgerichte im Auge behalten sowie erhöhte administrative Anforderungen (Stichworte Bundesstatistik, Zielsteuerung, Bildung und Teilhabe) bewältigen.

Insgesamt hat sich das – ohnehin schon breite – Aufgabenspektrum im Leistungsbereich in den letzten Jahren nochmal enorm ausgeweitet. Mit der Sachbearbeitung zu BSHG-Zeiten, mit der die Leistungssachbearbeitung immer noch gerne verglichen wird, hat das schon lange nichts mehr zu tun.

Im Juni dieses Jahres schlugen die Jobcenter in NRW Alarm: Das "Positionspapier zur Verbesserung der Situation in den Leistungsbereichen der Jobcenter" ist ein dramatischer Appell, die Augen nicht länger vor der Arbeitssituation der Mitarbeiter im Leistungsbereich zu verschließen. Diese arbeiten "seit Jahren an der Belastungsgrenze". Aus externer Sicht von con_sens ist dies kein Zweckpessimismus, sondern eine durchaus zutreffende Problemanalyse. In vielen Jobcentern beider Organisationstypen, die con_sens in den letzten Monaten beraten hat, "brannte" es im Leistungsbereich – und nicht selten lichterloh!

Nicht wundernswert ist, wenn die Motivation der Mitarbeiter leidet und Auswege aus dem Jobcenter gesucht werden. Bedenkt man, dass die Jobcenter für 6 Millionen Menschen in Deutschland quasi das "Gesicht des Sozialstaates" sind, stimmt eine solche Situation sehr nachdenklich.

Anders als Vermittlung und Integration, gilt das Thema gemeinhin als nicht "sexy". Dabei machen die Transferleistungen mit 32 Mrd. Euro (Hochrechnung für 2012) den mit Abstand größten Ausgabeposten im SGB II aus. Durch die Hände jedes einzelnen Mitarbeiters im Bereich der Leistungsadministration laufen jährlich rund 1 Million Euro. Nimmt man hier ein jährliches Einsparpotenzial durch Verringerung von Fehlern und Versäumnissen von nur einem einzigen Prozent an, käme das hübsche Sümmchen von 320 Mio. Euro zusammen. Auch aus Sicht des Steuerzahlers ist also zu fragen, ob man sich eine prekäre Situation in der Leistungssachbearbeitung SGB II auf Dauer leisten kann.

Die Abwanderungstendenzen in den Jobcentern sind mehr als bedauerlich, denn eigentlich haben die Jobcenter als Arbeitgeber einiges zu bieten. Befragt man Mitarbeiter, so finden sie ihre Aufgabe fast immer spannend und abwechslungsreich. Sie genießen die Gestaltungsspielräume und den Teamzusammenhalt. Und sie übernehmen gerne Verantwortung, denn sie erleben ihre Arbeit als "Sinn-voll" im wahrsten Sinne des Wortes – und das jeden Tag ganz unmittelbar. Damit hat das Jobcenter vielen Bereichen der Verwaltung etwas voraus, in denen es ggf. gemächlicher, aber ggf. eben auch deutlich langweiliger zugeht.

Insgesamt dürfte es den Jobcentern also nicht schwer fallen, sich als attraktiver Arbeitgeber zu präsentieren. Mit Blick auf Imagearbeit und Außendarstellung haben die Jobcenter aus externer Sicht einiges nachzuholen. Und Imagearbeit ist dringend notwendig: Die wichtigste Herausforderung für einen zukunftsfähigen Leistungsbereich liegt in der Rekrutierung, Qualifizierung und Bindung von geeignetem und motiviertem Personal. Auch die Jobcenter werden den Fachkräftemangel zu spüren bekommen.

Leider werden die vielfältigen Potenziale der Jobcenter, zu denen auch die bemerkenswerte Einsatz- und Leistungsbereitschaft der dort tätigen Menschen gehört, derzeit überlagert von einer Vielzahl struktureller Probleme und unklarer Rahmenbedingungen. So fehlt es beispielsweise immer noch an einem empirisch untermauerten und fachlich begründeten Konzept für eine aufgabenangemessene Personalausstattung – quantitativ wie qualitativ – für die Leistungsadministration.

Ein weiteres Beispiel: Aktuelle Personalüberhänge im Bereich des SGB III bewirken personelle Verschiebungen in die gemeinsamen Eirichtungen. Führungskräfte stehen oftmals unter dem Druck, entweder das angebotene Personal aufzunehmen oder aber die Vakanzen auszuhalten. Dieses Problem manifestiert sich momentan besonders im Leistungsbereich, wo es immer schwerer wird, qualifiziertes und motiviertes Personal zu rekrutieren und zu halten.

Aber auch in den Optionskommunen ist die Leistungssachbearbeitung häufig ein "Problemkind" des Jobcenters. Mit den gemeinsamen Einrichtungen haben die zkT das Ringen um angemessene Betreuungsschlüssel, qualifiziertes Personal und den Kampf mit Personalausfällen durch Krankheit und Fluktuation gemein.

Die Benennung der Probleme und Herausforderungen im Bereich der "passiven Leistungen" wäre ein erster Schritt in die richtige Richtung. Dabei darf und sollte man bei der Forderung nach mehr Personal nicht stehen bleiben, sondern auch über quantitative und qualitative Personalstandards sowie Effizienzverbesserungen innerhalb der Organisation nachdenken.
 

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